Bună ziua, România (page 2)

Autofahren ist in Rumänien ein Abenteurer

Nach drei Tagen verließen wir den Lacul Colibița über einen kleinen, mit einem Fiat Panda (unser Leihwagen) nicht ganz leicht befahrbaren Pass. Zeit, etwas über die Straßenverhältnisse zu sagen: Rumänien hat nur wenige Autobahnen. Die Hauptverbindungswege sind Europastraßen, die gepflegten asphaltierten Landstraßen entsprechen. Gut für den Naturschutz, für die Fortbewegung ist das manchmal eine Herausforderung. Denn auf den Straßen fahren Pkws ebenso wie LKWs und Pferdefuhrwagen, die im Herbst voll beladen sind mit der Ernte.

Der Fahrstil der Rumänen ist sehr sportlich und die Fahrer dicker Brummis haben es immer eilig. Da stören langsame Pferde oder Traktoren. Gefährliche Überholmanöver kommen vor und enden nicht immer glimpflich – vor allem, wenn zwei LKWs im Gebirge in einer Kurve frontal aufeinandertreffen, wie wir es miterlebt haben. Wie gut, dass es wenigstens eine Null-Promille-Grenze gibt, die den Wagemut ein bisschen im Zaum hält.

Bukowina: Liebliche Häuser und Bauerngärten

Über eine Europastraße ging es jetzt Richtung Bukowina. Noch in Transilvanien führte die Strecke vorbei an wunderbaren Panoramen und über den 1.200 Meter hohen Tihuţa-Pass, der durch Bram Stokers „Dracula“ legendär wurde. Ein gruseliges Schloss sucht man vergeblich – das gab es auch nie. Um die Sensationslust der Touristen aber nicht zu enttäuschen, wurde dort ein schon von weitem sichtbares Hotel gebaut, das natürlich „Castel Dracula“ heißen muss. Kein Stop für uns. Wir fuhren zügig weiter ins Buchenland.

Auffällig in der Bukowina ist der pittoreske Baustil: Viele Häuser sind hübsch verschindelt, die Dachkandeln verziert. Jedes Haus hat einen eigenen Brunnen, der gelegentlich prachtvoll wie ein Schrein eingefasst ist. Manche Hoftore wirken fast asiatisch.

Zum Standard gehört ein herrlicher Bauerngarten, in dem Apfelbäume stehen, Zwiebeln, Kartoffeln und Mais angepflanzt werden. In einigen stolzieren Hühner hin und her. Die Menschen dort versorgen sich überwiegend selbst mit Obst, Gemüse, Eiern und Fleisch. Bleibt nur zu hoffen, dass der Genmais, der dort weitflächig und gut gekennzeichnet angepflanzt wird, nicht das natürliche Saatgut kontaminiert, das direkt daneben steht. Vermutlich ein frommer Wunsch. Zumindest hat der stets präsente Genmais die Lust geschmälert, die landestypische Mămăligă – die rumänische Polenta aus Maisgries – zu genießen.

UNESCO-Welterbe: Orthodoxe Klöster

Landschaftlich steht vor allem die nordwestliche Moldova-Region dem transilvanischen Gebirge in nichts nach. Kein Wunder, schließlich gehen beide Regionen ineinander über. Einen großartigen Blick über die reich bewaldeten Anhöhen hat man beispielsweise vom Pasul Ciumârna. Am Wochenende treffen sich an diesem 1.100 Meter hohen Pass Familien zum Picknick und genießen den Ausblick. Er verbindet zwei kulturhistorische Kostbarkeiten Rumäniens: das Mănăstirea Moldovița und das Mănăstirea Suceviţa.

Moldovița und Suceviţa sind zwei von insgesamt acht orthodoxen Klöstern, die den UNESCO-Welterbetitel tragen. Die meisten entstanden bereits im 15. Jahrhundert. Gemeinsam mit den Klöstern Voroneţ und Humor zählen Moldovița und Suceviţa zu den schönsten. Sie sind innen wie außen über und über mit Fresken bemalt, die unter anderem biblische Szenen, Heilige und Märtyrer abbilden. Insbesondere Mănăstirea Voroneţ, das als „Sixtinische Kapelle des Ostens“ gehandelt wird,  ist für die Leuchtkraft seiner Wandbilder berühmt. Aber Achtung: Zarte Seelen dürfen sich dabei auf unzählige abgehauene Köpfe und andere unangenehme Todesarten gefasst machen, die im ikonografischen Stil zum Besten gebracht werden.

Wintereinbruch am Lacul Roşu

Nach den klerikalen Highlights stand wieder Natur auf dem Programm. Es ging südwestlich weiter, zurück auf transilvanisches Terrain. Über eine der eindrucksvollsten Gebirgsstraßen, die Bicaz-Klamm, steuerten wir  den legendären Lacul Roşu an. Der See ist 1837 durch einen Gebirgsrutsch entstanden, der die Bistrița aufstaut. Baumstümpfe des ehemaligen Waldes ragen auch heute noch aus dem Wasser. Nebenbei: Das ist nicht derselbe Fluss wie am Lacul Cobilița, auch wenn der Name identisch ist.

Einer Legende nach ist der Lacul Roşu entstanden, als eine Jungfrau mit Gewalt von einem Räuber zur Frau genommen werden sollte. Sie rief die Berge zu Hilfe, die nicht nur den Bösewicht, sondern auch sie selbst durch herunter stürzende Felsen in den Tod rissen.

Der Lacul Roşu kann in einer Stunde umrundet werden. Selbst bei Regen ist  dieser Spaziergang schön. Allerdings meinte die Wettervorhersage, dass es auch am nächsten Tag bei der Witterung bleiben und die Temperatur deutlich fallen sollte. Da fiel einem die Frage ein, die wir bei der Autovermietung gestellt hatten: „Do you think we need snow chains?“ „Ach Quatsch“, lautete die Antwort.

Am nächsten Tag kam es so, wie vermutet: Die Rosen im Park vor dem Hotel waren von dem plötzlichen Wintereinbruch mit Schnee bedeckt. Jetzt hieß es, den Weg von 1256 Höhenmetern schnell bergab zu nehmen. Zumindest so zügig, wie es die Sommerreifen des Fiat Panda zuließen. Zum Glück regnete es ab etwa 800 Metern Höhe nur noch. Und nach wenigen Stunden hatten wir das nächste Reiseziel sicher und ohne Zwischenfall erreicht: Sighişoara (auf Deutsch: Schäßburg).

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