Odenwald für Kids: Das Angebot ist ziemlich groß und reicht vom Lama-Tracking bis zur actionreichen Fahrt in der Sommerrodelbahn. Dass aber allein die Natur unglaublich viel zu bieten hat, Spaß macht und Kindern Gelegenheit gibt, ihre Kreativität zu entfalten, die sie auch in ihrem späteren Leben gebrauchen können, zeigen die Erlebnisangebote des Naturschutz- und Streuobstwieseninitiative Wilhelmsfeld e.V. Ich habe mir das mal genauer angeschaut.
Eigentlich wollte ich pünktlich um 9 Uhr bei WildNatur für Kids aufschlagen. Aber dann kamen zwei Baustellen mit Straßenvollsperrung dazwischen, die mir kurz das Gefühl von „Lost in Odenwald“ gaben, nachdem ich auf der Umleitung zwei Ehrenrunden gedreht hatte. Durch die umfangreiche Recherche für den Reiseführer sind mir eigentlich viele Ecken ziemlich gut bekannt. Die Gegend um Wilhelmsfeld scheinbar noch nicht gut genug. Versagt das Navi, helfen Orientierungssinn und konventionelle Karten. Und so trudelte ich dann doch um 10 Uhr auf der Streuobstwiese Wilhelmsfeld ein. Zur Begrüßung reckten sich mir elf neugierige Köpfe freundlich entgegen: sieben Kinder, vier Erwachsene. Die Erlebniswoche hatte also bereits begonnen.
Schön bunt: Klatschmohn, Ringelblume, Springkraut
Die Vorstellungsrunde hatte ich verpasst. Im Schnelldurchlauf wurden mir die Namen aller Teilnehmer genannt. Jeder war mit einer „charakteristischen“ Handbewegung verbunden: lange Nase, wedelnde Ohren, die Hand vorm Gesicht. Nun wurden Ideen gesammelt, was man so alles auf der Streuobstwiese unternehmen könnte. Ganz oben auf der Liste stand der Bach. Dort lässt sich sicher einiges entdecken. Insekten suchen und bestimmen oder eine Holzhütte bauen ist auch toll. Oder wie wäre es mit Blumen malen? – „Mit Blumen malen? Wie geht denn das?“ Meine Frage wurde damit beantwortet, dass die Kids ausschwirrten und mit Ringelblumen, Klee, Gras, Klatschmohn, Holunderbeeren und Blüten vom Indischen Springkraut in den Händen zurückkamen. Die wurden gleich mit viel Schwung auf einem Blatt Papier verrieben. Aha, so geht das also. Schön bunt ist das.
„Die bemalten Blätter heben wir uns auf. Daraus basteln wir uns hübsche Etiketten für das Kräutersalz, das wir noch diese Woche selbst herstellen werden“, sagte Susanne Steuer-Lühr. Sie ist Sozialpädagogin, aktuell in Ausbildung zur Streuobstwiesenpädagogin und eine der hauptverantwortlichen, treibenden Kräfte des Naturschutz- und Streuobstwieseninitiative Wilhelmsfeld e.V. Während die Kurzen, die übrigens zwischen sechs und zwölf Jahren alt waren, über die Wiese sprangen, um Fallobst für ein Kompott zu sammeln, erzählte sie mir über die Entstehungsgeschichte der Streuobstwiese.
Vom Müllparadies zur Streuobstwiese
Susanne Steuer-Lühr rannte offene Türen ein mit der Idee, die Streuobstwiese zu rekultivieren. Die Grüne Initiative Wilhelmsfeld, die sich für den Erhalt der Lebensqualität in der Region intensiv engagiert, hatte das damals verwilderte Grundstück bereits ins Auge gefasst und förderte das Vorhaben. „Bei den Aufräumarbeiten kam ein wahres Müllparadies zum Vorschein, darunter zwei Sofas, alte Hütten und einige Eternitplatten. Von dem Plastikmüll, der sonst noch herumlag, ganz zu schweigen. Außerdem mussten wild gewachsene Bäume abgeholzt werden. Der Bauhof der Kommune Wilhelmsfeld hat uns unentgeltlich bei der Entsorgung geholfen.“ Apropos: Ohne Geld konnte auch das Streuobstwiesenprojekt nicht realisiert werden. Finanzielle Unterstützung boten unter anderem der Naturpark Neckartal-Odenwald mit Mitteln des Landes und die Landesbank Baden-Württemberg.
Wo früher Haselsträucher alles überwucherten, wurden ein Kräutergarten angelegt und junge Obstbäume gepflanzt. „Hier kann man auch Baumpate werden“, erklärte die zwölfjährige Lea. Ein Bäumchen wurde vor kurzem anlässlich einer Hochzeit gepflanzt. Später zeigte sie mir gemeinsam mit ihrer Freundin Antonia einen ihrer Lieblingsbäume im Wäldchen hinter dem Kräutergarten, auf dem die beiden gern herumklettern.
Auf dem Weg dorthin kamen wir an einem Feld des Indischen Springkrauts vorbei und Lea hielt mir gleich den schwarzen, reifen Samen hin. „Probier‘ mal.“ Susanne Steuer-Lühr ergänzte sofort, dass man allerdings nicht zu viel davon zu sich nehmen sollte. Nun, ein Samen konnte man ja mal testen. War interessant und fremd. „Hier ist noch viel mehr essbar. Heute Mittag gibt es gegrillte Kartoffeln mit Kräuterquark“, sagte Antonia. „Und welche Kräuter werden da verwendet?“ Ich war neugierig, denn die Klassiker Schnittlauch und Petersilie hatte ich bislang nicht entdeckt. „Pfefferminze, Oregano, Bohnenkraut, Blüten von der Ringelblume und Frauenmantel“, zählten die beiden Mädchen abwechselnd auf. Das ist auf jeden Fall eine ausgefallene Kräuterquark-Variante.
Gemacht wird, was die Kinder möchten
„Die Kinder geben den Rhythmus vor. Sie dürfen hier ihren Impulsen folgen und wir gehen darauf ein“, sagte Susanne Steuer-Lühr. Für sie ist es immer wieder spannend zu sehen, wie unterschiedlich und natürlich Jungen und Mädchen in die Umgebung streifen. Während Jungs sofort auf Erkundungsgang gehen, fangen Mädchen an, sich mit phantasievollen Rezepturen zu beschäftigen.
Auch für Erwachsene gibt es ein Naturprogramm: Susanne Steuer-Lühr bietet Kräuterwanderungen an. Sie konzentriert sich dabei auf wenige Pflanzen, behandelt diese aber dann ausgiebig mit Geschichten und Wissenswertem: Wofür sind sie nützlich? Wie werden sie verwendet und konserviert? Wenn sie mal selbst nicht weiter wissen sollte, schickt sie einfach ein Bild der Pflanze an einen Biologen, der die Streuobstwiese Wilhelmsfeld kenntnisreich unterstützt und das Gewächs dann bestimmt.
Wunderbare Panoramen
Zum Schluss noch ein paar Fakten zum Ort: Wilhelmsfeld ist im Vergleich zu vielen anderen im Odenwald ziemlich jung. Seine Entstehungszeit wird um das Jahr 1710 datiert. Kurfürst Johann Wilhelm von der Pfalz gestattete Siedlern, in dem damaligen Rodungsgebiet ein kleines Dorf zu errichten. Der Name Wilhelmsfeld nimmt also eindeutig Bezug auf den damaligen Grundherren. Die Gemeinde liegt rund 20 Kilometer nördlich von Heidelberg entfernt auf einer Höhe bis zu 530 Metern. Man kann also durchaus eine reiz- wie anspruchsvolle Wanderung von der schönen Romantikstadt aus starten. Von Heidelberg-Ziegelhausen fährt regelmäßig die Buslinie 34 hinauf ins Mittelgebirge und wieder zurück. So können sich auch entspannt Wanderungen rund um Wilhelmsfeld gestalten lassen. Durch die Höhenunterschiede und die abwechslungsreich Vegetation – Wälder, Wiesen, Felder – werden Wanderer mit wunderbaren Panoramen belohnt.
Wilhelmsfeld ist übrigens als Luftkurort ausgezeichnet. Seine Sehenswürdigkeiten lassen sich an einer Hand abzählen und können bei Wander- oder Radtouren erschlossen werden. Dazu gehören der Teltschik-Aussichtsturm auf dem Schriesheimer Kopf und ein Schaukohlemeiler nahe dem Naturfreundehaus Kohlhof. Eine Tafel am Meiler informiert über die Gewinnung von Holzkohle in längst vergangenen Tagen. Seit 2009 erinnert außerdem ein Sissi-Gedenkstein daran, dass die österreichische Kaiserin 1885 auf einer Wanderung in Wilhelmsfeld kurz gerastet hat. Mit der Streuobstwiese von der Naturschutzinitiative hat der Ort ein Erlebnisangebot mehr im Programm. Den Kindern gefällt es, im Freien zu spielen, kreativ mit Blumen und Kräutern umzugehen und von der Natur zu lernen. Und ich bin davon auch schwer begeistert! Ganz sicher komme ich auf einen Besuch und eine Wandertour wieder vorbei – dann aber, ohne mich mit dem Auto in die Irre schicken zu lassen.
Links:
http://streuobstwiese-wilhelmsfeld.de/
http://www.wilhelmsfeld.de/freizeit-erholung.html