Die Gärten der Künstler

Es ist Zeit zum Träumen! Gerade wenn das Reisen im Moment nicht möglich ist, die Museen durch den Lockdown geschlossen sind und im Januar sowieso keine Gartenhochsaison ist, muss man sich die schönen Dinge des Lebens einfach nach Hause holen. Zum Beispiel mit diesem Kunstbuch, das Künstlerbiografien mit der Entstehungsgeschichte ihrer Häuser und Gärten verquickt. Eine spannende Kombination. Eigentlich aber naheliegend: Denn etliche Maler des späten 19. und des 20 Jahrhunderts wie Monet, Cezanne, Van Gogh, Klee oder Kandinsky ließen sich von der Natur, der Landschaft und nicht zuletzt von ihren eigenen Gärten beflügeln. Jackie Bennett, die englische Autorin des Kunstbuches „Die Gärten der Künstler“, hat Gartenarchitektur und Landschaftsgeschichte studiert. Ihre Gartenbücher wurden bereits mehrfach ausgezeichnet und 2015 hat sie sich schon mit den Gärten der Dichter befasst. 2020 ist nun ein Pendant mit Künstlergärten bei Gerstenberg erschienen.

Einleitend fragt sie: „Was könnte für einen Maler […] inspirierender sein, als umgeben von Eindrücken, Düften und Tönen eines Gartens, dessen Schönheit und Gestalt einzufangen? […] wonach aber sucht ein Künstler, der seine Staffelei ins Freie trägt? […] Der eine mag den Garten realistisch darstellen, während ein anderer ihn als Auslöser für Gefühle nutzt, die er abstrakt festhält.“ Freilicht- bzw. Pleinairmalerei ist im Prinzip ein relativ junges Kunstgenre innerhalb der Malerei, erläutert sie weiter. Diese wurde erst durch transportable Malfarben möglich, die der Kunst neue Wege eröffneten, die insbesondere die Impressionisten nutzten.

„Die Impressionisten vereinten zwei Kunstformen meisterhaft – das Malen und das Gärtnern.“
Jackie Bennett

Neben dem Wert als Inspirationsquelle waren die Gärten der Künstler Refugien, die Erholung und Ruhe boten. Warum auch sollte dies für Künstler anders sein als für alle anderen, die bei Gartenarbeit entspannen und sich über die vielseitige Schönheit der Natur erfreuen können?

Künstlerbiografien aus einem anderen Blickwinkel

„Die Gärten der Künstler“ ist kein Kunstbuch im herkömmlichen Sinn, in dem die Werke und das Œuvre im Vordergrund steht. Vielmehr betrachtet Jackie Bennett in überschaubaren Kapiteln, bebildert mit zeithistorischen Fotodokumenten und aktuellen Fotografien, die Lebensgeschichte und die Geschichte der Künstlerhäuser mit ihren Gärten. Natürlich gibt es ebenso ausgesuchte Gemälde zu sehen. Ein Zeitstrahl in jedem Kapitel bietet einen kompakten Überblick über prägnante Ereignisse im Leben der Künstler. Wer selbst gärtnert, für den können die Gartenpläne sehr interessant und durchaus anregend sein.

Von Leonardo da Vinci bis Salvador Dali – Künstlerkolonien in Europa und den USA

Zu den vorgestellten Künstlern zählen Leonardo da Vinci, Peter Paul Rubens, Paul Cézanne, Pierre-Auguste Renoir, Max Liebermann, Joaquín Sorolla, Henri Le Sidaner, Emil Nolde und Salvador Dalí. Frieda Kahlo ist die einzige Künstlerin, die im Einzelporträt berücksichtigt ist. Weitere Frauen werden in den Kapiteln über die Künstlerkolonien vorgestellt, darunter die dänischen Skagen-Maler, die Ende des 19. Jahrhunderts wirkten, die schottischen Kirkcudbright-Künstler, die Künstlergruppe um den englischen Arts-and-Craft-Designer William Morris oder die Neuengland-Impressionisten.

Es macht enorm Spaß in dem Werk zu schwelgen, denn man erfährt doch viel Neues von den Künstlern, die man bereits kannte, und lernt andere kennen, die bei uns nicht so populär sind. Eher unbekannt ist beispielweise Henri Le Sidaner, der nicht nur einen sehr schönen, vielseitig gestalteten Garten besaß. Ebenso faszinierend sind seine post-impressionistischen Bilder, die sich durch besondere Lichteffekte auszeichnen.

Wer sich womöglich an der Kunst von Größen wie Salvador Dalí, Emil Nolde oder Paul Cézanne sattgesehen haben mag, dem ist das Betrachten berühmter Werke im Kontext ihrer Gärten und deren Geschichte wieder ein richtiges Vergnügen. Auf den Lebensgeschichten und zum Teil auch auf den Anwesen von Max Liebermann, Emil Nolde und den deutschen Expressionisten liegt, wie man sich denken kann, der Schatten jüngerer deutscher Vergangenheit. Die Autorin gibt diesem düsteren Kapitel aber nur am Rande Platz. Umso erfreulicher ist es zu sehen, dass zweckentfremdete Anwesen wie zum Beispiel die Liebermann-Villa am Wannsee in den vergangenen Jahren wieder rekonstruiert wurden. Das Titelbild zeigt Max Liebermanns Villa mit der Sichtachse durch den Nutzgarten. Liebermann hatte seinen Garten nach den Prinzipien der Reformgartenbewegung gestaltet, die Haus und Garten als Einheit ansah.

Jeder Künstlergarten in Jackie Bennetts Werk ist heute noch für Besucher offen. Wenn die Wogen der Pandemie sich beruhigt haben, das gesellige Leben und das Reisen wieder möglich sind, dann steht der ein oder andere Garten auf dem Ausflugsprogramm.

Impressionismus in Russland. Aufbruch zur Avantgarde

www.museum-barberini.de

In der Zwischenzeit heißt es weiterträumen. Deshalb zum Schluss noch ein Online-Tipp: Das Museum Barberini in Potsdam ist ein wertvoller Hort impressionistischer Gemälde. Die umfangreiche Sammlung umfasst über 100 Meisterwerke von Claude Monet, Auguste Renoir, Berthe Morisot, Alfred Sisley, Camille Pissarro, Henri-Edmond Cross, Paul Signac und weiteren Malern des Impressionismus und Nachimpressionismus. Zurzeit wird die dauerhafte Ausstellung mit Werken russischer Künstler ergänzt. Die Ausstellung „Impressionismus in Russland. Aufbruch zur Avantgarde“ ist digital aufbereitet. Viele der online präsentierten Werke werden im Audioformat besprochen. In der Mediathek zum Programm finden sich zahlreiche Videos zur aktuellen Ausstellung. Zur Stressbewältigung, die dieser Tage verstärkt nötig sein kann, gibt es eine außergewöhnliche Videoreihe: „Quiet Morning“ verbindet Yoga und Kunstgenuss im Museum Barberini.

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