Skópelos: Mehr als Mamma Mia!

„Liebe Fluggäste. Bitte langsam aufwachen. Wir landen in wenigen Minuten“, hörte ich die freundliche Stimme des Flugkapitäns im Halbschlaf. Ich öffnete die Augen, schaute aus dem Fenster und sah den Pilion an mir vorbeiziehen, dann Skiáthos und die schöne Stadt der Insel. Ach, Griechenland. Irgendwie ist es schon fast wie nach Hause kommen. Kurz vor Bodenkontakt sagte der Kapitän: „Uns erwartet eine knackige Landung.“ Der Flughafen Alexandros Papadiamantis gilt als einer der anspruchsvollsten in Europa. Die Landebahn ist extrem kurz und wird an beiden Enden vom Meer begrenzt. Rechts und links ragen Landflächen empor. Okay … Na dann … Doch so eine angenehme, schnelle Landung wie diese habe ich selten erlebt. Das wird daran gelegen haben, dass hier ein mehr als routinierter Mann die Maschine flog. Im Laufe des Urlaubs erfuhren wir von einem österreichischen Segler, dass Piloten für die Landung auf Skiáthos eine Extraausbildung machen müssen. Ob’s stimmt? Mag sein. Zumindest hat uns derselbe Kapitän zwei Wochen später auch wieder sicher nach Hause gebracht.

Skiáthos war für uns Transfer-Insel. Wir wollten nach Skópelos, aber ohne Hetze. Also blieben wir noch einen Tag in Skiáthos-Stadt, um in Ruhe anzukommen. Die Stadt ist sehr lebendig mit vielen attraktiven Cafés, Tavernen, Restaurants und kleinen Geschäften. Einer der schönsten Plätze hier ist sicher das Kafeníon Boúrtzi auf der gleichnamigen, kleinen Halbinsel. Sie trennt den neuen vom alten Hafen und war für uns der richtige Platz, um am frühen Morgen nach einer Nacht ohne Schlaf ein kleines Frühstück zu  genießen – mit Blick aufs Meer, den alten Hafen, die Stadt und sanfter Lounge-Musik im Ohr.

Am nächsten Tag ging es nach Skópelos. Mit der großen Fähre ist der Hafen von Glóssa bereits nach einer halben Stunde erreicht. Bis nach Skópelos-Stadt (Chóra) dauert es insgesamt eine Stunde. Mit den Schnellfähren Dolphin oder Flying Cat geht der Transfer von Inselhauptstadt zu Inselhauptstadt natürlich noch rascher – aber wer braucht schon Hetze im Urlaub. Von Glóssa aus mit dem Inselbus war nach etwa einer weiteren halben Stunde unser Ziel erreicht: Pánormos ist ein kleiner Touristenort mit wenigen Pensionen und Hotels, malerischer Bucht mit Kiesstrand und sicherem Anlegeplatz für Segler. Unsere Unterkunft lag etwas abseits in den Anhöhen inmitten von Kiefern und Olivenbäumen, mit wundervollem Blick auf die Bucht und Euböa in der Ferne.

Von Pánormos zu den Sendoúkia-Gräbern

Die ersten Tage wurden wir von Wetterkapriolen empfangen: Gewitter, Regen und relativ tiefe Temperaturen in der Nacht. Es war Ende Mai, Anfang Juni und das Wetter schien sich noch nicht so recht auf den Sommer eingestellt zu haben. Die anfänglich kühleren Tage haben wir für zwei Wanderungen genutzt. Dann wurde es uns dafür zu warm. Die erste führte uns von Pánormos zu den Sendoúkia-Gräbern, einer antiken Grabstätte etwas unterhalb des höchsten Berges Délphi. Ein anspruchsvoller Weg, bei dem es nur aufwärts ging, und sehr abwechslungsreich durch Olivenhaine, Pinienwälder, eingezäunte Ziegenweiden – natürlich wundervolle Ausblicke über Skópelos, auf das Meer und andere Inseln inklusive.

Wer die drei Sendoúkia-Gräber angelegt hat, bleibt wohl ein Rätsel. Sie wurden 1936 offiziell entdeckt, waren aber zu dem Zeitpunkt bereits geplündert, sodass sich keine Rückschlüsse auf die Entstehung ziehen lassen. „Die Meinungen gehen entsprechend weit auseinander und reichen vom Neolithikum über die Römerzeit bis ins frühe Christentum. Sarkophagähnliche Konstruktionen dieser Art kennt man ansonsten vor allem aus spätrömischer Zeit“, schreibt Dirk Schönrock in seinem Reiseführer „Nördliche Sporaden: Skiathos – Skopelos – Skyros – Alonnisos“. Auf jeden Fall ist hier der Ausblick fantastisch und man kann bis nach Alónnisos herüberschauen. Wichtig ist, das Wetter zu beobachten. Denn wenn hier Wolken aufziehen, verliert man schnell mal die Orientierung, auch wenn der Weg mit roten Punkten markiert ist. Das Gelände kann gefährlich abfallen. Allerdings verleihen neblige Wolken zusammen mit der Stille dort oben dem Ort etwas sehr Mystisches.

Kloster-Hopping von Chóra aus

Die zweite Tour führte von der Inselhauptstadt aus in die gegenüberliegenden Anhöhen vorbei an mehreren Klöstern. Erster Haltepunkt war das älteste Kloster der Insel: Metamórphosis tou Sotírou ist ein ziemlich kleines Kloster, das sehr beschaulich wirkt, wenn man bereits eindrucksvolle Anlagen wie das Johanneskloster auf Patmos oder die imposante Wallfahrtskirche Panagia Evangelistria auf Tinos gesehen hat. Während der Weg von hier aus auf einer Schotterstraße einfach zu laufen war, ging es ab dem Kloster einen kleinen Pfad bergauf. Ein relativ zugewachsener, gerölllastiger Weg, der festes Schuhwerk erfordert. Zu unserer Überraschung kam uns ein Mann mit seinem Lastesel raschen Fußes beziehungsweise Hufes entgegen. Der Esel kam bergab zwar auf dem lockeren Untergrund gelegentlich in Schlittern, war aber bei vier Beinen klar im Vorteil, das Gleichgewicht zu halten.

Nach einer Dreiviertelstunde erreichten wir ein Plateau mit Rastplatz. Wenige Meter dahinter liegen zwei weitere, kleine Klöster: Agía Barbára gilt als typisches Wehrkloster aus türkischer Zeit. Es besteht aus naturbelassenem Stein und beherbergte bis 1993 die älteste Ikone der Insel. Bei einem Einbruch wurden nicht nur die Ikone, sondern auch viele andere Heiligenbilder und sakrale Gegenstände gestohlen. Da Diebstähle in Kirchen und Kapellen in den vergangenen Jahre stark zugenommen haben sollen, bleiben unbewohnte Klöster verschlossen, wenn niemand zur Aufsicht vor Ort ist. Und so standen auch wir vor verschlossener Pforte.

Abwärts über umgestürzte Bäume

Das Kloster Timíos Prodoumoú liegt in sichtbarer Nähe. Die Aussicht, dass es ebenfalls geschlossen sein könnte und der Hunger zur Mittagszeit trieben uns zurück nach Skópelos-Stadt. Wir entschieden uns gegen die asphaltierte Straße und schlugen hinter dem Rastplatz, an dem wir zuvor angekommen waren, einen zweiten Pfad nach unten ein. Er war zunächst malerisch mit Pflastersteinen befestigt. Was uns aber eine halbe Stunde später erwartete, war eher abenteuerlich. Mächtige entwurzelte Bäume, die den Weg versperrten und über die wir klettern mussten. An manchen Stellen war der Pfad kaum noch zu erkennen. Er muss von den vorangegangenen heftigen Regenfällen einfach weggespült worden sein. Trotzdem liefen wir weiter und hatten Glück: Die unwegsame Strecke dauerte nicht sehr lange. Wir fanden die richtige Stelle, die uns dann wieder gut befestigt zum Kloster Metamórphosis tou Sotírou führte. Übersetzt bedeutet der Name des Klosters „Verwandlung des Heilands“. Es ist das älteste Kloster der Insel, gut restauriert und hübsch begrünt.

Von hier haben wir dann die Straße nach Chóra bevorzugt, die nicht sehr befahren ist. Wilde Blumen- und Kräuterbüsche säumen die Straßenränder. Mit offenen Augen entdeckt man hier wundervolle Falter wie das Widderchen mit seiner blutroten Zeichnung. Eine Dreiviertelstunde später waren wir dann in der Stadt angekommen und auf der Platia Plátanos in die gleichnamige Taverne eingekehrt. Ein schöner Platz, der – wie man es sich schon denken kann – von einer stolzen Platane beherrscht wird. Zu den Spezialitäten der Taverne gehört das mit Käse und Skópelos-Pflaumen gefüllte Schweinefilet. Auf Skópelos werden drei unterschiedliche Pflaumensorten angebaut, die natürlich in unterschiedlicher Weise ihren Weg in die Küche finden und vor allem Desserts verfeinern.

Kastáni, der Mama-Mia-Strand

Die darauffolgenden Tage waren trocken, herrlich sonnig, später richtig heiß – Strandbadewetter! Der beliebteste Strand auf Skópelos ist sicher Kastáni. Er gab die Kulisse für die romantischen Szenen des Schmacht-Kultmusicals „Mama Mia“ mit Meryl Streep und Pierce Brosnan. Ein wirklich schöner Strand mit feinerem hellen Kies und hellblauem Wasser, in das man sachte hineingehen kann. Dominiert wird der Strand im Hintergrund von einer attraktiven Beach-Bar mit loungiger Atmosphäre. Für Mama-Mia-Fans ist der Strand ein Muss. Es wundert also nicht, dass auch von Skiathos aus regelmäßig Schifftrips nach Kastáni unternommen werden – mit lautstarker Musikbegleitung, bei der die ABBA-Songs auch von der Ferne hörbar mitgesungen werden. Ebenso soundlastig sind die Jet-Skis, die ihre Runden um die vorgelagerte Insel Dasia ziehen.

Die Ruhe, die wir gesucht haben, fanden wir an unserem „Hausstrand“ in Pánormos. Er besteht zwar aus Kies und nicht aus feinem Sand, ist aber durch die Form der Bucht einfach malerisch gelegen. Und eben ruhig ohne Freizeitlärm, zumindest in der Vorsaison. Den Strand entlang befinden sich einige Restaurants. Als wir dort waren, hatte relativ neu die Taverna Vasiliki eröffnet, betrieben von einem jungen Paar vom Festland. Vaso, die junge Frau, hatte ihren Job als Krankenschwester an den Nagel gehängt und gemeinsam mit ihrem Mann die gesamten Ersparnisse in das kleine Restaurant gesteckt. Auf Englisch erzählte sie, dass die Krise in Griechenland ihr den Beruf verleidet hatte. Es gab Not bei den Medikamenten und nicht allen konnte zu dem Zeitpunkt geholfen werden. Aber auch ihr neues Glück war nicht lückenlos. Denn ihre Kinder besuchten weiterhin auf dem Festland die Schule und lebten deshalb bei ihren Eltern. Vaso und ihr Mann mit dem schönen Namen Seraphim betreiben ihr Lokal sehr ursprünglich, familiär und liebenswürdig. Ein schöner Platz in Pánormos.

Nach zehn Tagen ging es wieder zurück nach Skiáthos-Stadt. Fast ein kleiner Kulturschock nach der Ruhe auf Skópelos, der herrlich grünen und relativ gering besiedelten, nordsporadischen Insel. Hier in der Stadt wird gefeiert, geschoppt und urban gelebt. Also: noch zwei Tage bummeln und am Strand entspannen. Von der Stadt aus fahren Busse zu den vielen Stränden entlang der Südküste. Der wohl beliebteste ist Órmos Koukounariés. Der feine Sand des rund 600 Meter langen Strandes glitzert golden in der Sonne. Es geht seicht ins Meer und ist deshalb auch bei Familien mit kleinen Kindern sehr beliebt. Im Rücken des Strandes liegt ein Naturschutzgebiet, dass wohl dazu ausgezeichnet wurde, nachdem das Wildcampen und Feiern dort am Strand in den 1980ern überhandnahmen.

In Skiathos-Stadt hatten wir uns sowohl bei der Hin- als auch bei der Rückreise für die familiengeführte Pension „Babis“ entschieden. Sie liegt am Rand von auf einem Hügel mit Blick auf den Hafen und die landenden Flugzeuge. Die Zimmer sind einfach, aber mit einem tollen Service des Chefs. Denn Babis hat uns vom Flughafen abgeholt und auch wieder in aller Frühe zum Rückflug gebracht. Auch den Fährtransfer ließ er sich nicht nehmen, obwohl der Hafen eigentlich auch zu Fuß erreichbar gewesen wäre. Grundsätzlich haben wir auf Skópelos und die wenigen Tage auf Skiáthos auf ein Auto verzichtet und lieber die öffentlichen Verkehrsmittel genutzt. Wir haben nur wenige griechische Inseln kennengelernt, die nicht über eine gute Infrastruktur verfügen. Auf diese Weise taktet man sich noch besser auf den Urlaub ein – finden wir.

Literatur- und Linktipps: