„Sintra is the most romantic place in Portugal“, sagte uns eine Antiquitätenhändlerin, als wir durch ihre Kostbarkeiten stöberten. Und es stimmt auch: Mit seinen vielen, stattlichen historischen Herrenhäusern und den romantischen Parkanlagen ist Sintra wirklich ein wunderschönes Kleinod. Die Stadt liegt circa 25 Kilometer von Lissabon entfernt, malerisch eingebettet auf den pinienbedeckten Hügeln der Serra de Sintra. Über allem thronen der Palácio Nacional da Pena sowie die stattlichen Überreste des Castelo dos Mouros: Sintras Schloss und die alte maurische Burg. Diese haben selbst im verschlafenen November einen extremen Besucherzuspruch.
Die meisten Menschen besuchen Sintra lediglich für ein bis zwei Tage. Wir nahmen uns für Sintra eine gemütliche Woche Zeit, um auch Sehenswürdigkeiten wie die schöne, kleine Markthalle oder das MU.SA Museu das Artes de Sintra über die touristischen Highlights hinaus anzuschauen und um ums durch die beschaulichen, hügeligen Gassen treiben zu lassen. Es gibt einladende Cafés, Bars, Restaurants und Geschäfte, in denen vor allem weibliche Touristen Geld los werden. Sintra ist übrigens bestens mit dem öffentlichen Nahverkehr zu erreichen. Eine ideale Anbindung von Lissabon aus bietet der Bahnhof Rossio. Die einfache Zugfahrt kostet im Vergleich zu unseren Fahrpreisen wenig und dauert etwa eine Dreiviertelstunde. Die Quinta das Murtas, unsere Unterkunft, lag ganz in der Nähe des alten Stadtkerns, sodass alle Sehenswürdigkeiten sehr gut fußläufig erreichbar waren. Daneben stehen zahlreiche Tuktuks oder öffentliche Busse bereit, die Touristen zu ihrem gewünschten Ziel bringen.
Verwunschen: Quinta da Regaleira
Die berühmte Quinta da Regaleira mit seiner verwunschenen Parkanlage haben wir uns zuerst angeschaut. Das prachtvolle Anwesen gehörte einst einem Multimillionär: António Augusto Carvalho Monteiro. Er hatte sein finanzielles Glück in Brasilien gesucht und im Kaffe- und Edelsteinhandel gefunden. Anfang des 20. Jahrhunderts kehrte er zurück nach Portugal und ließ sich in Sintra nieder. Vieles in der Quinta da Regaleira wie beispielsweise der prächtige Palast wurde von einem italienischen Architekt und Bühnenbildner – Luigi Manini – entworfen, zu dessen Schöpfungen unter anderem auch die Lissabonner Oper São Carlos zählt.
Für die Quinta da Regaleira lohnt es sich, Zeit zu nehmen. Denn es gibt jede Menge zu entdecken: mit Moos bewachsene Türme, Torbögen mit Drachenwächtern, eine kleine Kapelle, schöne Teiche und labyrinthische Grotten. Das Zusammenspiel von Natur, Bauwerken im Emanuelstil und Skulpturen gibt dem Park etwas Mystisches. Herrschaftliche Steinbänke laden zu kleinen Pausen ein. Besonders geheimnisvoll wirkt der Poço iniciático – wenn nicht gerade eine Gruppe quirliger Touristen aus Asien zur gleichen Zeit die recht enge Wendeltreppe der ehemaligen Initiationsstätte für Freimaurer lautstark hinabwuseln. Von außen ist der geheimnisvolle Brunnen kaum zu erkennen. Im Innern führt ein kleines Labyrinth durch den Berg. Für den Initiationsritus mussten die Freimaurer mit verbundenen Augen den Weg nach draußen finden. Manche Wege im Labyrinth sind auch heute noch unbeleuchtet.
Auch für den Besuch des Castelo dos Mouros, Palácio National da Pena und des herrlichen Parque da Pena kann man durchaus einen Tag einplanen. Es gibt mehrere schöne, mitunter ziemlich steile Wanderwege auf die Anhöhen und wieder hinunter. Der Weg zu Fuß ist bei Regen oder Nebel nicht ungefährlich und man sollte in keinem Fall vom vorgeschriebenen Pfad abweichen. Schilder warnen davor.
Castelo dos Mouros – Ausblick bis zur Atlantik-Küste
Sintras Geschichte beginnt im Prinzip mit den Mauren, die im 8. Jahrhundert auf der iberischen Halbinsel, im spanischen Andalusien auch Teile Portugals eroberten und auf einem Berg der Serra de Sintra eine stattliche Festung errichteten. Eine weitere Burg stand am Fuße, im Herzen der heutigen Altstadt. Diese wurde nach dem Ende der maurischen Herrschaft zum Königspalast – dem Palácio Nacional de Sintra – umgestaltet. Die Höhenburg dagegen zerfiel im Laufe der Jahrhunderte und wurde von der Natur zurückerobert, bis im 19. Jahrhundert König Dom Fernando II. die Anlage restaurieren ließ. Restaurierungsarbeiten der 1940er-Jahre gaben der Burg ihr heutiges Aussehen. Gut erhalten und begehbar sind Festungsmauern und Türme. Von hier aus hat man einen weiten Blick über die Stadt, die Region bis hin zur Atlantik-Küste.
Palácio Nacional da Pena, ein verspielter Königspalast
Vom Castelo dos Mouros ist es ein Katzensprung bis zum Königspalast. Am besten holt man sich bereits bei der alten Festung ein Kombi-Eintrittsticket für beide Sehenswürdigkeiten. Das erspart das Schlange stehen beim Palácio Nacional da Pena. Der Königspalast wurde 1839 für die Königin Dona Maria II. und ihren deutschen Gemahl Fernando II. errichtet. Auch der beauftragte Architekt, Wilhelm Baron von Eschwege, war ein Deutscher. Von Eschwege kombinierte bei der Architektur wild klassische, romanische, gotische, barocke, maurische und indische Elemente miteinander. Heraus kam ein buntes, verspieltes Bauwerk, das allerdings nicht sehr oft von Königs bewohnt wurde, weil es ihnen meist zu frisch und zu nebelig gewesen sein soll. Heute eilen alljährlich über 1,5 Millionen Besucher durch den Königspalast.Besichtigt werden können alle noch vollständig eingerichteten Räume.
Verwunschener Parque de Pena
Der Königspalast liegt inmitten eines waldreichen Gebietes. Wenn man in den Wald hineingeht, eröffnet sich einem ein verwunschener, sehr großzügiger Park. Fernando II. war es, der gemeinsam mit seiner zweiten Frau, die deutsch-schweizerische Opernsängerin Elise Friederike Hensler, den Parque de Pena gestaltete. Während hier vorher vor allem Eichen wuchsen, ließ der König zusätzlich brasilianische Araukarien, Libanonzedern, japanische Sicheltannen pflanzen. Knorrige, verdrehte Äste beleben die Fantasie: Ob hier nachts Feen, Elfen und andere Fabelwesen ihren Schabernack treiben? Ebenso märchenhaft wirkt das Feteira da Reinha, ein Tal mit stattlichen Baumfarnen und kleinen verschlungenen Wegen, Teichen und Steinbänken. Tief im Innern des Parks sind Gewächshäuser versteckt, in denen unter anderem prächtige Orchideen gedeihen. Nicht weit steht das Chalet da Condessa d’Edla – Elise Friederike Hensler wurde 1869 zur Gräfin von Edla erhoben. Das Haus wurde als Rückzugsort im alpinen Stil errichtet. Es ist durch und durch kunstvoll verziert mit Fresken, Stuck, Kork- und Kupferintarsien.
Opulenter Sommersitz: Palácio de Monserrate
Ebenso romantisch ist der Park des Palácio de Monserrate: schattige Farnwälder, Gummibäume, die die Ruine einer nachgefertigten, alten Kapelle regelrecht umarmen, Zierteiche und Brunnen, sonnige Kakteen-, Sukkulenten- und Rosengärten. Dazwischen wachsen immer wieder Erdbeerbäume, die gleichzeitig Blüten und Früchte tragen. Für Bienen sowie andere Insekten scheinen die Erdbeerbaumblüten im November eine wichtige Nektarquelle zu sein. Überall schwirrt und summt es. Man sieht es dem Baum nicht an, aber er ist mit Heidekrautgewächsen verwandt. Aus seinen Früchten wird unter anderem der traditionelle portugiesische Obstschnaps Medronho hergestellt.
Der Palácio de Monserrate wurde ursprünglich als Sommersitz für Sir Francis Cook erbaut, einen englischen Tuchhändler, der gemeinsam mit einem Landschaftsmaler, einem Botaniker und einem Gärtner auch den Park gestaltete. Besonders beeindruckend ist der riesige Eisenholzbaum aus Neuseeland. Er steht direkt vor dem Schloss. Im Sommer trägt der Pohutukawa rote Büschelblüten. Seine großen Luftwurzeln hängen wie große Reisigbesen von den Ästen herab. Der Palast selbst steht heute leer, wird aber für kulturelle Veranstaltungen genutzt. Der Anblick der heute verwaisten Räume genügt bereits, um zu erahnen wie opulent das Leben hier einst gewesen sein muss.
Zum Abschluss David Lynch im MU.SA
Am Schluss gab es noch einen kleinen Abstecher in die Moderne: Mitte November begann das Filmfest in Lissibon und Sintra. Im Begleitprogramm präsentierte das MU.SA Museu das Artes de Sintra (https://www.facebook.com/MUSAsintra) noch bis Ende Dezember David Lynchs „Small Stories“ und Sandro Millers „Psychogenic Fugue“. John Malkovich schlüpft in „Psychogenic Fugue“ in die Rollen von David Lynch und sieben Figuren aus seinen Filmen. Emotional mimt er wie einst Dennis Hopper den Widerling Frank Booth in Blue Velvet oder die pausbackige „Lady in the Radiator“ in Erasorhead.
Die Einblicke in den Lynch-Kosmos kann nicht jeder vertragen. Sie sind oft alles andere als romantisch, brutal, aber doch irgendwie märchenhaft, eben surrealistisch. Sie sind voller menschlicher Abgründe, die sich aber durchaus in der Realität nicht verleugnen lassen. Die Ausstellung war eine Anregung, später in die zweite Staffel von Twin Peaks einzutauchen.
Wir hätten gern noch mehr gesehen: Denn rund um Sintra gibt es weitere schöne Wanderwege, als die, die zu den Hauptsehenswürdigkeiten führen – für die es sich gelohnt hat, eine ganze Woche Zeit zu nehmen.
Literatur- und Linktipps:
- Johannes Beck: Lissabon & Costa de Lisboa – Cascais, Estoril, Sintra, Ericeira, Sesimbra, Setúbal. Michael Müller Verlag, 8. Auflage, Erlangen 2018
- Quinta das Murtas
- Quinta da Regaliera